Einfach mal durchatmen?

Wenn ich Menschen neu begegne und ihnen von meinem Interesse für Buddhismus und Meditation erzähle, dann wird mir fast jedes Mal eine dieser Fragen gestellt: "Wie geht das eigentlich mit der Meditation?" und "Was muss man da machen?" Und jedes Mal, wenn ich diese Fragen höre, dann muss ich lächeln. Es ist kein ironisches Lächeln, auch kein arrogantes Lächeln, es ist einfach nur ein Lächeln. Aber es kommt nicht von ungefähr.

Von klein auf wird uns beigebracht, dass wir etwas bestimmtes tun müssen, um etwas anderes zu erreichen. "Ohne Fleiß, kein Preis", "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" und weitere Sinnsprüche sind der Beleg dafür. Das alles ist auch wahr und richtig und gut so. Auch in der Meditation müssen wir etwas 'tun', um etwas zu 'erreichen'. Nur können wir das nicht im herkömmlichen Sinne erwarten, wie wir das normalerweise tun, also zum Beispiel: Ich bewege meine Füße auf eine gewisse Art und Weise, demzufolge erreiche ich nach einer gewissen Zeit ein gewisses Ziel. So funktioniert Meditation nicht. Zum Beispiel ist der Weg zum Bäcker mit seinen Sonntagsbrötchen, die wir anschließend genüsslich zum Frühstück verspeisen möchten, gedanklich sehr einfach nachzuvollziehen und damit sehr viel 'greifbarer' für uns als der Weg und die Ziele der Meditation.

Ich persönlich bin irgendwann zu der Einsicht gelangt, dass die Meditation nicht zwangsläufig der Erreichung von Zielen dient. Und dennoch versetzt das regelmäßige Üben der Meditation mich in die Lage, gewisse Ziele zu erreichen, die ich zuvor für unmöglich hielt. Oder vielleicht auch Ziele zu erreichen, die ich bis dahin nicht in Erwägung zog, zum Beispiel, weil sie außerhalb meines 'Sichtfeldes' lagen.

Die Meditation selbst beinhaltet also möglicherweise keine konkreten Ziele, aber sie bietet uns eine ganz konkrete Methode und ganz konkrete Mittel an. Sie bietet einen Weg, den jeder Mensch frei ist zu beschreiten. Und falls wir uns dazu entschließen, den Weg der Meditation zu gehen, dann gibt es hierfür ein seit Jahrhunderten bewährtes Hilfsmittel: Unseren eigenen Atem. Das Gute am eigenen Atem ist nämlich, dass er immer und überall verfügbar ist (außer beim Apnoe-Tauchen vielleicht). Und indem ich mich auf meinen eigenen Atem konzentriere, kann ich üben, wie es sich anfühlt, zu mir selbst zurückzukehren. Ich kann spüren, wie es sich anfühlt, meine Balance zu finden, meine Mitte zu spüren, kurz: Mich selbst zu spüren. Und während ich in mir selbst ruhe, kann ich das Außen sehr entspannt auf mich zukommen lassen. Ich kann es fokussiert und intensiviert wahrnehmen, es auch in mich 'aufnehmen', wenn ich das möchte.

Die Meditation hat also durchaus zum Inhalt etwas zu tun. Sehr vieles sogar ist zu tun, vor allem in Bezug auf mich selbst. Gleichzeitig hat die Meditation aber auch zum Inhalt, nichts zu tun, und alles was ist, und was war, und was sein wird, einfach nur geschehen zu lassen.

Die Bredouille, in der viele Menschen in der westlichen Zivilisation sich befinden, ist, dass hierzulande der Fokus sehr auf das Tun ausgerichtet ist — "Von Nichts kommt nichts", usw. Das Nichtstun hingegen, das Geschehenlassen, das Loslassen — in gewissem Sinne also die eigene innere Akzeptanz der nicht vorhandenen Kontrolle über die Dinge, und über die Menschen, und über die Ereignisse — wird manchmal als unangenehm und negativ empfunden, als etwas, das es möglichst weit von sich fernzuhalten gilt. Dabei ist das Geschehenlassen ebenso wichtig wie das Handeln. Beides hat seine Berechtigung. Das Handeln und das Nichthandeln. Das Tun und das Nichttun. Anspannung und Entspannung. Halten und Loslassen. Beides ist wichtig. Beides ist notwendig. Keines von beiden kann sein ohne das andere. Und der individuell geprägte innere Ausgleich der Gegensätze ist essentiell, um uns ein entspanntes und glückliches Leben ermöglichen zu können.

Wenn mich also jemand fragt, was man in der Meditation tun müsse, beispielsweise um körperliche oder mentale Entspannung zu 'erreichen', dann lächle ich und lasse die Frage geschehen, weil ich irgendwann erkannt habe, dass es nicht hilfreich ist, gegen dieses doch so weit verbreitete Nichtwissen 'anzukämpfen'. Eine solche Frage resultiert ja schließlich nicht daraus, dass ein Mensch ignorant oder gar 'dumm' ist, sondern sie resultiert daraus, dass ein Mensch den Versuch unternimmt, etwas zu verstehen. Das Dilemma hierbei ist nur, dass die Meditation etwas ist, das eigentlich nicht zu verstehen ist. Also lächle ich und versuche geduldig mit Worten etwas zu vermitteln, das mit Worten nicht zu vermitteln ist.

In meinen Augen kann der einzige Weg, die Meditation und ihre Wirkungen an sich selbst zu erfahren, nur darüber führen, dass ich es mache, sprich: Dass ich die Meditation erfahre, indem ich sie übe. Ich weiß, dass es sich schwierig anfühlen kann, etwas zu üben, von dem ich keine konkrete Vorstellung habe, wie ich es 'richtig' mache. Dazu kann ich nur sagen, dass dieser Gedanke, diese Vorstellung von 'richtig' oder 'falsch' sich im Laufe der Zeit irgendwann auflösen wird.

Du könntest zum Beispiel ganz einfach mit der Meditation beginnen, indem du dich irgendwo hinsetzt, ganz egal wo, und indem du da, wo du dich gerade befindest, auf deinen Atem achtest. Mehr ist wirklich nicht zu tun. Wenn du das regelmäßig praktizierst, wirst du wahrscheinlich nach einer Weile 'ganz von alleine' erkennen, worauf es dir persönlich bei der Meditation ankommt. Ebenso wirst du 'ganz von alleine' erkennen, in welchen Bereichen deines Lebens du Variationen der Meditation einbauen kannst. Zum Beispiel beim Autofahren, wo du das Radio ausschalten könntest, um nurmehr die Fahrtgeräusche deines Wagens wahrzunehmen. Das Zerren und Vibrieren des Luftstroms an den Fensterscheiben. Das rhythmische Holpern der Autoreifen auf dem Asphalt. Das Tuckern des Vier- oder Sechszylinders unter der Motorhaube. Vielleicht hörst du ja auch ein Klappern, Rattern und Rasseln hier oder da, wenn du so wie ich schon ein älteres Modell fährst. Um uns herum gibt es so vieles zu entdecken, das in der Fülle der Informationen oft untergeht. Auch beim Staubsaugen kannst du Meditation üben, beim Abwaschen, beim Baden in einem See, während du Sport machst, ein Instrument spielst, malst oder mit deinen Kindern über riesig große Pfützen springst — vielleicht aber auch mitten hinein.

Jede Beschäftigung kann Meditation sein, wenn du sie dazu 'machst'. Sie ist weder auf einen bestimmten Ort, noch auf eine Zeit, noch auf gewisse Tätigkeiten beschränkt. Und das ist auch das Schöne an der Meditation. Wenn du während der Arbeit keine Zeit hattest, eine (meditative) Pause einzulegen, dann tue es einfach jetzt, auf deinem Weg nach Hause, jetzt auf dem Fahrrad. Spüre den Wind in deinem Gesicht. Spüre das Feuer in deinen Oberschenkeln, wenn du wieder einmal bergauf gegen den Wind ankämpfen musst. Höre das Quietschen und Rasseln der Kettenglieder, die dir sagen wollen, dass sie gerne mal wieder geölt werden möchten. Es gibt so vieles zu entdecken, um uns herum, wie in uns selbst. Das ganze Leben kann meditativ sein.

Zusammengefasst geht es für mich in der Meditation wohl hauptsächlich darum, zu spüren wie sehr ich am Leben bin. Es geht mir darum, mein Leben wahrzunehmen, mein Leben zu leben, es in mich 'aufzusaugen', es zu er-leben, es ganz und vollständig und bewusst zu er-leben, so vollständig und bewusst, wie es mir möglich ist. Ich bin deshalb auch sehr dankbar, dass es inspirierende Persönlichkeiten wie Thich Nhat Hanh, den Dalai Lama, jeden meiner Kung Fu Lehrer und Brüder, meine Freunde und auch andere mich zutiefst inspirierende Menschen in meinem Leben gibt oder gab. Menschen, die mich sehr beeinflusst haben, und ohne die mein jetziges Leben nicht das wäre, was es ist — irgendwie melancholisch und gleichzeitig wunderschön.

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