Du bist wie ich

Ich bin wie du.
Ich denke und fühle,
Ich rede und schweige,
Bin laut und mal leise,
Aber meistens leise,
Ich sitze, ich gehe,
Ich laufe und stehe,
Mal hier und mal dort,
Bewege mich fort,
Und verweile am Ort.

Ich bin wie du.
Bin mal blind auf den Augen,
Mal taub auf dem Ohr,
Ich singe, ich tanze,
Hab heute nichts vor,
Möchte einfach nur lachen,
Dumme Sachen machen,
Mich einem Moment
Voll und ganz verschreiben,
Meine Nase am Fenster des Augenblicks reiben,
Sie so sehr platt drücken,
Dass mir nichts mehr entgeht,
Bis ich tief in mir spüre,
Wie die Welt sich dreht,
Bis die Scheibe sich biegt,
Und das Glas zerbricht,
Schillernde Scherben,
Zieren mein Gesicht.

Ich bin wie du.
Ich bin ein Kind im Anzug,
Das sich wünscht ein Krieger zu sein,
Stark, unbezwingbar,
Aber nein, halt,
Dann müsste ich kämpfen,
Würde Leben zerbrechen,
Würde Dinge tun,
Die mir selbst widersprechen,
Würde kämpfen und töten,
Ein Krieger sein,
Aber nein,
Das bin ich nicht.
Ich habe genug.
Ich bin nur ein Kind im Anzug.

Ich bin wie du.
Fühl mich groß und mal klein,
Mal unglaublich wichtig,
Und dann wieder nichtig,
Wie ein Zwerg im Meer
Von Schneewittchens Tränen,
Ein Rumpelstilzchen,
Das vergisst, wer es ist,
So tanz ich um's Feuer,
Steige auf mit den Funken,
Ich verglühe im Nichts,
In Tränen ertrunken.

Ich bin wie du.
Voller Angst und auch Mut,
Im Zweifel noch hoffend,
Es ginge doch gut,
Dass du immer noch da bist,
Wenn der Vorhang fällt,
Wenn die Lichter aus sind,
Wenn mein Bühnenstück endet,
Wenn ich aufhöre zu spielen,
Und beginne
Ich selbst zu sein.

Ich bin wie du.
Und ich weiß, dass du denkst,
Dass es doch gar nicht so sein kann,
Dass doch jeder Mensch anders ist,
Und es stimmt,
Du hast recht,
Jeder ist anders,
In jedem Moment,
Doch in Summe betrachtet
Sind wir irgendwie gleich.
Wir wollen leben und lieben,
Ein bisschen glücklich vielleicht,
Zum Beispiel auch darüber,
Geliebt zu werden,
Von den Menschen,
Die uns am Herzen liegen,
Die uns Wärme und Stärke und Rückhalt bieten,
Die uns schützen,
Wo wir am verletzlichsten sind,
Die uns Liebe schenken,
Grad so als wär’n wir noch Kind.

Ich bin wie du.
Wer sich selbst erkennt,
Der erkennt auch den andern,
Dass wir alle uns gleichen,
Dass wir reden und schweigen,
Mal laut und mal leise,
Aber meistens leise,
Dass wir sitzen und gehen,
Laufen und stehen,
Singen und tanzen,
Einfach nur lachen,
Dumme Sachen machen,
Ums Feuer hüpfend,
Unsre Namen vergessen,
Dass wir leben und lieben,
Denn das wollen wir,
Dafür sind wir hier.

Du bist wie ich.
Ich weiß, dass es so ist.
Du bist ein Kind im Anzug.
Ein großes Kind,
Ja vielleicht,
Aber ein Kind.
Du bist wie ich.

Und ich liebe dich.

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