Gedanken über die Freiheit, über Liebe, Glück und Gemeinschaft

Wir Menschen sagen gern über uns selbst, dass wir glücklich sind, so wie wir sind. Manchmal aber steht diese Aussage über uns selbst im Widerspruch zu unserem tatsächlichen Verhalten. Es gibt Tage, an denen tun wir zum Beispiel Dinge, von denen wir wissen, dass sie "eigentlich nicht richtig" sind. Zum Beispiel wenn es Dinge sind, die einen anderen Menschen verletzen würden, wenn er von ihnen wüsste. Manchmal zum Beispiel reden wir lieber hinter dem Rücken anderer Menschen über ihr Tun, statt sie offen und freundlich darauf anzusprechen und auf diesem Wege eine mögliche Klärung herbeizuführen. Oder manchmal verbergen wir unsere Kritik am Verhalten anderer Menschen, an bestimmten Situationen oder Umständen unter einem Deckmantel aus gespielter Witzigkeit, Sarkasmus und Zynismus.

Der Psychologe Peter Lauster schreibt in seinem Buch „Die Liebe: Psychologie eines Phänomens“ ¹

Die Mehrzahl der Menschen ist in der Entfaltung ihrer Liebesfähigkeit gehemmt und blockiert.

 

Die Liebe ist der Weg zu Glück, Zufriedenheit, Gesundheit und Weisheit.

 

Die Gedanken eines Menschen formen seine Worte, seine Taten, sein ganzes Sein. Jedes Wort, das über unsere Lippen geht, jede Handlung, die wir vollziehen, können wir nicht tun, ohne damit der Welt im Außen auch etwas über die Welt unseres Inneren, über die Welt unserer Gedanken und Gefühle zu verraten. Wenn unsere Worte und Taten im Außen bewusst unseren Gedanken oder Gefühlen widersprechen, so verursacht dies ein Ungleichgewicht in Körper und Geist. Alles was existiert im Universum unterliegt einer Trennung und strebt im selben Moment ganz natürlich nach Ausgleich (Yin & Yang). Eine bewusst aufrecht erhaltene Diskrepanz zwischen unseren Gedanken und Gefühlen auf der einen Seite und unseren Worten und Taten auf der anderen Seite erzeugt eine Spannung in Körper und Geist, welche zu ihrer Aufrechterhaltung gewisser Mengen unserer eigenen Energie bedarf. Energie, die an anderen Orten vielleicht eine sinnvollere Verwendung finden könnte und die der Außenwelt auf unterschiedlichen Wegen mitteilt: „Ich bin im Moment nicht im Reinen mit mir selbst. Ich bin im Moment wie ein Schauspieler, der eine Rolle einnimmt, die er nicht verinnerlicht hat. Ich bin nicht entspannt, nicht zufrieden, nicht glücklich. Ich bin im Moment nicht ich selbst.“

In der buddhistischen Lehre ist das Wissen um die Bedeutung der Verbindung von Worten bzw. Taten eines Menschen und seinem inneren Erleben auch bekannt unter dem Begriff:

The path of right speech

Speech either reinforces the energy of right resolution, or dissipates it by corrupting the principles of right view. When we think, we think with words. It is a very important thing to realize that words are the effective means of shaping the structure of thought itself. What we allow to escape our mouths is directly governed by our resolve and expresses that mastery of the second path. Sloppy or incorrect speech is the result of either weak view or weak resolve. ²

Warum aber sagen oder tun wir manchmal Dinge, die nicht der Wahrheit oder nicht unseren wahren Gedanken entsprechen? Warum sagen oder tun wir manchmal Dinge, von denen wir wissen, dass sie einen anderen Menschen verletzen, wenn er davon erfährt? Warum erscheint es uns manchmal „gerechtfertigt“, einen Menschen hinter seinem Rücken schlecht zu machen? Was sind die Gründe dafür, sich auf diese Weise über andere erheben zu wollen? Warum verspüren wir manchmal dieses Bedürfnis nach „Größe“ oder nach „Macht“? Verspüren wir es vielleicht in den Momenten, in denen wir uns unseres eigenen Selbst nicht zu einhundert Prozent sicher sind? Verspüren wir es dann, wenn wir gerade nicht glücklich, nicht zufrieden mit uns selbst sind, wenn wir gerade nicht in uns selbst ruhen, wenn uns dieses tiefe, ureigene, dieses kindlich naive Vertrauen in unsere eigenen Möglichkeiten gerade irgendwie abhanden gekommen ist?

Wenn wir uns zum Beispiel einmal gedanklich vorstellen, wie wir einen anderen Menschen mit Worten angreifen (sei es offen oder verdeckt) und wenn wir uns bei diesem Gedanken einmal selbst beobachten, dann können wir erkennen, dass es bei einem solchen Angriff im Grunde doch nur darum geht, den anderen Menschen in unserer eigenen Wahrnehmung nicht mehr so groß erscheinen zu lassen. Kein Mensch mag dieses Gefühl, sich in Gegenwart eines anderen Menschen klein wie eine Maus zu fühlen. Das Gefühl, einem anderen Menschen unterlegen oder ihm sogar schutzlos ausgeliefert zu sein, das ist üblicherweise (natürlich gibt es auch hier Ausnahmen) ein unangenehmes Gefühl, das wir manchmal unbewusst dadurch beseitigen möchten, dass wir den anderen mit Worten oder Taten seiner Größe und damit auch seiner Würde berauben möchten. Wir möchten ihn unbewusst auf unsere eigene gefühlt „niedrigere“ Ebene des inneren Wohlgefühls herunterziehen, um uns nicht mehr so schrecklich klein fühlen zu müssen. Wenn wir uns nun zusätzlich auch in die Gegenperspektive hinein versetzen, wenn wir uns also einen anderen Menschen vorstellen, wie er wütend auf uns ist und uns beschimpft, dann können wir glaube ich schon besser verstehen, dass die wahren Gründe hinter einem solchen Verhalten für uns nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen sind. Dieser andere Mensch, der uns dort wütend und schimpfend gegenüber steht, er ist ein fühlendes Wesen, so wie wir. Und er verspürt Angst, so wie wir. Alleine dies zu verstehen, kann sehr hilfreich dabei sein, auf das wütende Verhalten eines anderen Menschen unsererseits nicht ebenfalls mit Wut, sondern mitfühlend, verständnisvoll und liebevoll zu reagieren.

Aber noch einmal zurück zur Frage des eigenen, kindlichen Urvertrauens. Warum möchten wir uns fast schon automatisch immer wieder mit anderen Menschen vergleichen? Was sind die Gründe für diese Art des konkurrierenden Denkens? Ist es vielleicht der Leistungsgedanke, der in unserer großteils auf Wirtschaftlichkeit und Profit ausgerichteten Gesellschaft quasi permanent präsent zu sein scheint? Wo wir auch hinschauen, begegnen wir diesem Gedanken an Effizienz, der uns höher, schneller und weiter treibt. Er bildet die Grundlage unseres staatlichen Schulsystems. Wir begegnen ihm in der Ausbildung, im Studium und natürlich auch im beruflichen wie im privaten Umfeld. Nicht selten begegnen wir Leistungs- und Konkurrenzgedanken auch unter Geschwisterkindern oder im Verhältnis zu den eigenen Eltern. Der Gedanke etwas leisten zu müssen, um es wert zu sein, Teil einer Gemeinschaft sein zu dürfen, er ist tief in unserer menschlichen Psyche verankert und manchmal treibt der damit verbundene Leistungsdruck oder auch nur der schiere Wunsch nach „mehr", zum Beispiel paradoxerweise nach „mehr Sicherheit für mich und meine Lieben“ uns an, Dinge zu tun, die wir unter anderen Umständen vielleicht nicht tun würden.

Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch und als solcher habe ich mir oft Gedanken zum Thema „Freiheit“ bzw. „Freiheit innerhalb einer Gemeinschaft“ gemacht. Ebenso habe ich andere Menschen dabei beobachtet, wie sie mit diesem Thema umgehen. Eine grundsätzliche Frage, der sich wohl jeder freiheitsliebende Mensch im Laufe seines Lebens irgendwann einmal stellen wird, ist folgende: „Soll ich mich dem in unserer Gesellschaft omnipräsenten Leistungsgedanken anpassen, mich ihm gar unterordnen, so wie es die einen tun, oder soll ich diesen Gedanken ablehnen, ihn vielleicht auch aktiv bekämpfen, so wie es die anderen tun? Oder sollte ich, als die größtmögliche Ausbaustufe des „Dagegenseins“, mich einfach pauschal allem verweigern bzw. alles bekämpfen, was auch nur im Entferntesten nach einer Gemeinschaft mit anderen Menschen und den damit verbundenen „Umständen“ klingt?

Ich denke keiner dieser Wege kann auf Dauer der richtige Weg sein. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er auf der einen Seite Teil einer größeren Gemeinschaft sein möchte, in der er sich geborgen fühlt, und auf der anderen Seite immer auch ein autonom agierendes Individuum bleiben möchte. Wie lässt sich nun dieses Spannungsfeld zwischen der Bildung einer Gemeinschaft mit anderen und der größtmöglichen Freiheit des Einzelnen auflösen? Meine Antwort darauf ist ziemlich einfach: Liebe.

Ein Mensch, der Teil einer Gemeinschaft sein möchte, muss zunächst einmal lernen, sich selbst und alle anderen Menschen so zu akzeptieren, wie sie nun einmal sind. Jeder einzelne Mensch besitzt seine ureigensten Stärken und seine ureigensten Schwächen, mit denen und an denen er arbeiten darf. Vergleiche zwischen den Menschen, vor allem wenn sie auf die Leistung des Einzelnen abzielen, Vergleiche zwischen zwei sich entwickelnden, sich beständig verändernden Individuen sind meines Erachtens in einer Gemeinschaft grundsätzlich fehl am Platz. Wenn ich mich vergleichen möchte, dann kann ich das wirklich sinnvoll eigentlich nur mit mir selbst tun. Heute „besser“ zu sein, als ich es gestern war und morgen „besser“ zu sein, als ich es heute bin, das ist der Anspruch, an dem ich mich jederzeit messen darf, ohne dabei Gefahr zu laufen, Äpfel mit Birnen vergleichen zu wollen. Die eigenen ganz persönlichen Stärken zu fördern, sie zum Wohle der Gemeinschaft einzubringen, sich für andere Menschen wie für sich selbst einzusetzen, das könnte meines Erachtens eines jeden Menschen großes Glück innerhalb einer Gemeinschaft bedeuten. Sobald wir uns einmal an solchen oder ähnlichen Leitsätzen orientieren, verspüren wir ganz automatisch nicht mehr das Bedürfnis, andere Menschen in ihrer Größe oder Würde einschränken zu wollen. Stattdessen wissen wir den wahren Wert ihrer Größe und Würde aufrichtig zu schätzen. Vollkommen gleichberechtigt in einer Gemeinschaft. Seite an Seite mit der eigenen Größe und Würde.

Die befreiende Wirkung der Liebe in mir selbst zu spüren, das ist das größte Geschenk, das mir in meinem Leben zuteil wurde. Die Liebe, sie hat etwas Magisches, etwas Göttliches. Sie ist Gefühl und Inspiration zugleich. Ich weiß nicht, ob ich jetzt erleuchtet bin oder sowas, und es ist mir auch völlig egal. Ich stehe nicht über den Dingen, sondern dank der Liebe stehe ich mittendrin im Leben. Ich sehe mich als essentiellen Bestandteil eines größeren Ganzen. Ich habe erkannt, dass Peter Lauster mit seinen Aussagen oben völlig richtig liegt. Die Liebe ist ein seltenes Phänomen in dieser Welt und ich bin glücklich, sie nach Jahren des Umherirrens in meinem eigenen Herzen gefunden zu haben. Wir Menschen sind die Quelle und auch das Ziel großer Energien und stetigen Wandels. Wir sind gut so wie wir sind. Im jetzigen Moment wie auch in Zukunft oder Vergangenheit. Wir dürfen unfertig sein, so wie wir nun einmal sind, mit dem Potential zur Veränderung und vielleicht sogar zur Verbesserung. Wir sind kein Endprodukt und auch keine Maschinen. Wir sind lebende Wesen, die sich stetig verändern. Wir sind Menschen mit Herzen, die hoffentlich kräftig schlagen und uns befähigen zu leben, uns zu entwickeln und von Herzen zu lieben.

¹) Die Liebe: Psychologie eines Phänomens, Peter Lauster
²) Eight Steps To Freedom, Stephan Echard

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